Vererbte Rudelstellung

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Nikan ist ein zentraler Leithund.

Die vererbte Rudelstellung ist für manche Hundehalter uninteressant, bisweilen sogar unbekannt, jedoch bin ich der Meinung, es sollte sich jeder Hundehalter mit diesem Thema genauer auseinandersetzen. Denn mir, hat diese Erkenntnis sehr weitergeholfen, indem ich inzwischen weiß, warum er gewisse Verhaltensweisen zeigt.

Aus diesem Grunde möchte ich euch meine Beobachtungen, Erfahrungen, A-Ha-Erlebnisse, sowie Recherchen über dieses Thema hier weitergeben.

Erst letzte Woche fielen mir bei bestimmten Verhaltensmustern (von Nikan) ein, wie mein Mann und ich damals, Nikan war ein knappes Jahr alt, von Hundetrainern und Tierärzten auf das Thema Rudelstellung aufmerksam gemacht wurden. 

Mehrere Hundetrainer sowie Tierärzte erkannten anhand verschiedener Verhaltensmuster im Rudel, aber auch in der Hund-Mensch-Beziehung, dass Nikan ein Leithund, sie meinten sogar, ein zentraler Leithund ist. Dies bestätigt sich auch durch mehrere Beobachtungen im Rudelverhalten sowie in unserer Mensch-Hund-Beziehung.

Im Folgenden gehe ich genauer auf die Unterschiede ein.

Rangordnung

Bei den Hunden, sowie in jeder Tiergattung gibt es Leittiere, die für den Fortbestand verantwortlich sind. Diese sogenannte Rangordnung gab es damals, und sie gibt es auch heute. Jedoch nicht jeder hat ein Hunderudel, daher kann man diese Rangordnung zu Hause kaum noch beobachten.

Nebenbei bemerkt, die Worte Rangordnung, Rudelstellung und Rudelführer gefielen mir noch nie! Doch in der Natur gibt es eine klare Hierarchie. Auch schon wieder so ein, na ja, eher negatives Wort. Dennoch, schaut man auf Wikipedia nach diesem Wort, so heißt es dort: „Das Wort stammt aus dem altgriechischen und bedeutet Göttliche Führung / natürliche Ordnung.“

Gefolgshund

Recherchiert man im Internet, so findet man viele Quellen, mit folgenden Beschreibungen:

Ca. 80 % unserer Hunde sind Gefolgshunde. Diese Hunde sind in einem Rudel nicht für die Sicherheit, den Fortbestand oder die Nahrungsbeschaffung verantwortlich, sprich, sie haben keine Leitfunktion. Die Gefolgshunde haben eher die Melde- oder Beobachterfunktion. Gefolgshunde kann man sozusagen überall mit hinnehmen, jegliche Hundebegegnungen verlaufen in der Regel ohne Probleme. Bei ihnen machen sich weitgehend keine speziellen Unsicherheiten, z. B. Angst vor Feuerwerk, Gewitter o. Ä. bemerkbar. Diese kommen bei Gefolgshunden gerne erst im höheren Alter, jedoch nicht in dem Ausmaß, wie man sie bei den Leithunden sehen kann.


Die Gefahr, dass man Hunde, insbesondere Gefolgshunde zu sehr vermenschlicht, sei leider sehr groß, da es für uns Zweibeiner als Halter keine auffallenden Probleme gibt.  Grundsätzlich würden Gefolgshunde ähnliche Verhaltensweisen wie Leithunde zeigen, diese hätten aber nie dieselben Folgen oder Auswirkungen.

Manche Gefolgshunde werden bedauerlicherweise zu dominanten Hunden geformt, indem sie sie zu stark vermenschlichen. In der Natur wären hätten sie keine Leitfunktion, doch werden diese Hunde sehr oft gerne in einem menschlichen Rudel plötzlich mit Aufgaben konfrontiert, denen sie nicht gewachsen sind. Sprich, ein Gefolgshund, der in der Natur keine Leitfunktion hätte, wird in einem Menschen-Rudel plötzlich mit „Aufgaben“ konfrontiert, denen er nicht gewachsen ist. Diese Hunde laufen ihrem Hundehalter häufig hinterher, sprich, sie kontrollieren ihren Zweibeiner.

Der Leithund

Man unterscheidet zwei Arten von Leithund, der „normale“ Leithund (vordere oder hintere Leithund), ca. 15 % der „Hunde-Bevölkerung“ und der zentrale Leithund, ca. 5 % der „Hunde-Bevölkerung“.
 
Die Unterschiede sind auffallend, denn ein „normaler“ Leithund zeigt zwar dieselben Verhaltensformen wie der zentrale Leithund, aber beim zentralen Leithund sind die Energien seines Verhaltens x-fach stärker als beim normalen Leithund.
 
Aufgrund seiner Gene fühlt sich der Leithund automatisch für sein Rudel verantwortlich. Wenn jedoch ein Leithund ( als Welpe) in sein neues Zuhause kommt und er bemerkt (das geht wenige Minuten), dass hier niemand ist, der, ähnlich wie seine Mutter oder sein Rudelführer, nahtlos-konsequent die Regeln einfordert und immer allgegenwärtig ist, fühlt er sich genetisch bedingt gezwungen, die Führung für sein Rudel zu übernehmen. Denn aus Sicht des Hundes steht die ganze Sicherheit (Territorium, Futter etc.) in Gefahr.
 

Leithunde sind bei falscher Erziehung, bzw. durch Nichterkennen der Rudelstellung verhaltensauffällig und werden oft als Problem-Hund „abgestempelt“, weil sie nicht so funktionieren, wie wir Menschen uns das vorstellen. Sie werden als hyperaktiv, nicht führbar, nicht erziehbar, sehr ängstlich und aggressiv, etc. beschrieben.
 
Diese Hunde sind alle hochsensible (HSH) und sie reagieren auf jegliche Art von unausgeglichenen und unnatürlichen Energien, wie Straßenlärm, Stress der Menschen im eigenen Territorium, Hektik, Kindergeschrei etc… Auch hier konnte ich viele Parallelen zu meinem Nikan feststellen.
 
Leithunde müssen jedoch hochsensible sein, nur so können sie herannahende Gefahren frühzeitig erkennen und das Rudel, die Gruppe, mit Nahrung versorgen! Sprich, sie sind für deren Fortbestand verantwortlich.

In einem Rudel gibt es immer 2 „Ober-Chefs“. Eine Hündin, die für Ruhe und Ordnung innerhalb des Rudels verantwortlich ist. Sie schaut, dass stets alle ausgeglichene, entspannte Energien haben und unterbindet sofort jegliche Unruhe, Hektik, Unsicherheiten oder andere Anspannungen. Der Rüde ist für den Schutz oder die Sicherheit gegenüber „Eindringlingen“, Fremden oder Unbekanntem zuständig. Er ist gewissermaßen der Beschützer des Rudels.

Leithunde lassen sich nicht bestechen

Nun ist mir auch klar, warum bei meinem Nikan sämtliche Erziehungsversuche über positive Konditionierung scheitern. Denn Leithunde lassen sich nicht bestechen, bzw. von ihrer Aufgabe abhalten – insbesondere nicht bei Reizen! Da sie verantwortlich sind, kann man sie nicht mit Futter ablenken, bestechen oder auf gewisse Situationen konditionieren. Wenn sie reagieren müssen, dann reagieren sie. Hier spielen wie bei allen Rudel- oder Herdentieren ihre natürlichen Instinkte eine große Rolle.

Typisches Verhalten eines Leithundes

Gibt man dem Leithund mehr Liebe als Regeln und erlauben wir ihm zudem z. B. uns zu Hause zu besitzen (an uns anlehnen, Pfote oder ganzer Hund auf Fuß, ablecken etc.) oder uns zu kontrollieren (ständiges Nachlaufen, muss er auch draußen seinen Besitz beschützen und verteidigen. Oftmals zeigt er dann unerwünschtes Verhalten wie das Ziehen an der Leine/Leinenaggression und trifft Entscheidungen, die leider nicht in unsere menschliche Welt passen. Egal, wie klein sie selbst sein mögen und wie groß der “Konkurrent“ auch sein mag.
 
Oft haben Hundehalter Probleme, ihre Leithunde artgerecht zu erziehen. Denn Leithunde kontrollieren alles: die Menschen, das Haus (Tür, Sofa, Küchenablage etc.), den Garten (Bellen am Zaun), das Auto und auch den Raum auf den gewohnten Spaziergängen. Man nennt es auch territoriales Verhalten.

Ich erinnere mich an so manch Situationen mit Nikan zurück, die der obigen Beschreibung gleichen.

Weitere Markenzeichen eines Leithundes sind: auffällig viel schütteln und strecken. Ich sollte mal mitzählen, wie oft sich mein Nikan schüttelt und streckt; tatsächlich schüttelt er sich mehrmals am Tag. Weiteres Markenzeichen: wenn ein Hund beim Liegen immer mind. eine ausgestreckte Pfote hat oder regelmäßig seine Vorderpfoten kreuzt. Nikan liegt regelmäßig mit einer ausgestreckten Vorderpfote und beobachtet.

Zudem stellt Nikan bei mir fest – typisch für diese Hunde – wenn ich nicht bei mir bin. Ein Beispiel: Bin ich mit Nikan unterwegs und beschäftige mich mit dem Handy, anstatt bei mir zu sein, muss er die Führung übernehmen. Er übernimmt die Verantwortung, weil er spürt, dass ich neben der Spur bin, sprich, aus der Sicht des Hundes habe ich mein Leben nicht im Griff. Diese oben genannten Verhaltensweisen bekomme ich primär dann zu spüren, wenn ich dauernd gestresst bin, bzw. wenn viel mehr gegen Außen orientiert bin.

Viele Hundehalter, die die Verhaltensweisen dieser Leithunde nicht erkennen, sind eines Tages komplett überfordert und müssen ihre Hunde weiter vermitteln oder in das Tierheim abgeben.

Warum habe ausgerechnet ich einen Leithund bekommen? 

Wie anfangs erwähnt, sind Leit-Hunde hochsensible Hunde. Habt ihr schon mal etwas vom Spiegelprinzip gehört? Gleiches zieht Gleiches an, oder mein Hund spiegelt mich? Tatsächlich ist das real. Mein Nikan spiegelt mich zu 100 %!  Noch besser. Ein hochsensibler Hund ( Leithund) kommt immer in ein Umfeld, wo mindestens eine hochsensible Person in diesem Haushalt lebt. Erst vor ein paar Wochen habe ich mich einem Wesenstest unterzogen. Nun, nicht umsonst nannten mich meine Freunde damals schon „Sensibelchen“.

Schön und gut, einen Leithund zu halten, ist sicherlich eine große Herausforderung und gelegentlich nervenaufreibend. Gleichzeitig aber sehe ich es als enormes Geschenk an, denn Nikan, mein Leithund, ist für mich der beste Lehrmeister!